Ausschnitt historischen Fassade Schreibfederhöfe Berlin
14.05.2021

Interview mit Klaus Heldwein, Projektentwickler der Schreibfederhöfe: „Nachhaltiges Sanieren ist bei denkmalgeschützten Gebäuden ein schwieriger Spagat“

Im Interview mit bürosuche.de erläutert Klaus Heldwein, Architekt und Standortleiter Berlin bei dem Projektentwickler HAMBURG TEAM, auf welche Geschichte die frisch sanierten Schreibfederhöfe in Berlin Friedrichshain zurückblicken und warum nachhaltiges Sanieren bei denkmalgeschützten Gebäuden oft schwierig ist. 

Klaus Heldwein, Architekt und Standortleiter Berlin bei dem Projektentwickler HAMBURG TEAM

bürosuche.de: Herr Heldwein, welche Gebäude umfassen die Schreibfederhöfe?

Klaus Heldwein: Das Ensemble setzt sich aus drei Bausteinen zusammen. Im ersten Teil befinden sich die Eigentumswohnungen des kleinen Quartiers, der zweite umfasst Büros und Gewerbeflächen, der dritte Mietwohnungen mit Einzelhandelsflächen im Erdgeschoss. Das Bürogebäude - ein historischer Altbau, der unter Denkmalschutz steht - bildet den Kern des Ensembles. Diesen haben wir durch zwei Neubauten ergänzt. Durch das Arrangement der Gebäude sind drei Innenhöfe entstanden, die den Schreibfederhöfen zu ihrem Namen verhelfen. 

Quartiersansicht Schreibfederhöfe in Berlin
Copyright: Pure Rendering, Berlin

bürosuche.de: Und wie erklärt sich der erste Teil des Namens?

Klaus Heldwein: Die heutigen Schreibfederhöfe bringen über 100 Jahre Geschichte mit. Ende des 19. Jahrhunderts entstand das Fabrikgebäude, das lange Zeit von den unterschiedlichsten Unternehmen als Produktionsstätte genutzt wurde. Zuletzt wurden hier in den 60er Jahren Schreibfedern produziert. Dies nimmt der Namen des Quartiers auf. 

bürosuche.de: Worauf legte HAMBURG TEAM bei der Entwicklung des Quartiers besonderen Wert?

Klaus Heldwein: Vor allem auf eine Weiterentwicklung des denkmalgeschützten Gebäudes mit dem notwendigen Fingerspitzengefühl, die umsichtige Einpassung des Gesamtensembles aus Alt- und Neubauten in das Umfeld und eine ehrliche und faire Zusammenarbeit mit der alteingesessenen Mieterschaft. Wir wollten keinen Alleingang machen, sondern gemeinsam mit den bereits ansässigen Unternehmen die Geschichte des Hauses weiterschreiben. All diese Faktoren bildeten die Grundlage für unsere Projektentwicklung, die zu einem Herzstück des Kiezes werden und sich organisch in das Stadtbild einfügen soll.

bürosuche.de: Im Zuge der Sanierung erhielt der Altbau eine Aufstockung und einen Anbau. Warum?

Klaus Heldwein: Das Dach eines Gebäudeteils und ein kompletter Seitenflügel wurden im Zweiten Weltkrieg bei einem Bombenangriff durch ein Feuer zerstört. Mit der Aufstockung eines Holzdachstuhls und der Realisierung eines arrondierten Neubaus haben wir den ursprünglichen Zustand des Gebäudes wieder hergestellt. Im Dachgeschoss befinden sich jetzt auf 600 Quadratmetern Büroflächen, von denen aus man einen herrlichen Blick über die Dächer Friedrichshains genießt. Im Anbau sind weitere 1.650 Quadratmeter Bürofläche entstanden.

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bürosuche.de: Werden im Altbau – außer der Gebäudeaufstockung – weitere Sanierungen vorgenommen?

Klaus Heldwein: Von den insgesamt ungefähr 10.000 Quadratmetern Büro- und Gewerbeflächen in den Schreibfederhöfen sind circa 7.000 Quadratmeter Bestand, der saniert wird. Wir erneuern dort alles außer der denkmalgeschützten Gebäudehülle. Das Gebäude erfährt also eine Generalinstandsetzung. Wobei „erneuern“ nicht immer „ersetzen“ heißt. Elektrizität und digitale Infrastruktur werden neu gelegt. Bei der Grundsubstanz wie den Treppengeländern, den Böden und den Decken legen wir jedoch den ursprünglichen Zustand vorsichtig frei und renovieren bis ins Detail. Auf diese Weise können wir dort, wo es möglich ist, den Originalzustand wiederherstellen.

bürosuche.de: Was machen die Schreibfederhöfe aus Ihrer Sicht zu einem ganz besonderen Bürogebäude?

Klaus Heldwein: Vor allem die lange Geschichte, auf die das Bestandsgebäude zurückblickt. Wenn man durch die hohen Räume des Altbaus geht, spürt man noch deutlich die industrielle Vergangenheit des Standorts. Die lichtgefluteten Räume mit ihren hohen Kappendecken und den historischen Fensterrahmen verströmen einen ganz speziellen Charme. Zudem sind die Büroflächen nicht einheitlich, wie es in modernen Bürotürmen oftmals der Fall ist. Sie unterscheiden sich in Größe und Architektur deutlich voneinander. Einige Büros gehen über zwei Geschosse und sind über eine Treppe verbunden. Andere sind eher kleine Zellenbüros mit maximal 60 Quadratmetern, und es gibt auch großzügig geschnittene Lofts mit zusammenhängenden Flächen von circa 600 Quadratmetern. 

bürosuche.de: Den technischen Anforderungen von New Work sind die Schreibfederhöfe scheinbar gewachsen. Wie sieht es mit Kreativbereichen wie Terrassen und Vorgärten aus? 

Klaus Heldwein: Die Büros verfügen über viele Außenflächen in verschiedenen Ausführungsstufen, von den vom Landschaftsarchitekt geplanten exklusiven Hofflächen der Erdgeschosseinheiten über ebenfalls neu gestaltete Terrassen und Dachgärten im ersten Obergeschoss bis hin zu den modernen Terrassen in den Obergeschossen des Neubaus. 

bürosuche.de: An den Altbau wurde ein Neubau mit weiteren Büroflächen angegliedert. Worauf haben Sie bei der Architektur des Anbaus besonders geachtet?

Klaus Heldwein: Der Neubau greift mit seinen Sichtbetondecken und dem Loftcharakter der Innenräume den industriellen Charakter des Altbaus auf. Die Räume orientieren sich in ihren Höhen an denen des Altbaus. Sie verfügen über eine lichte Raumhöhe von bis zu 3,80 Metern. An der Fassade haben wir in Referenz zum Bestandsgebäude handgearbeitete Backsteine und Putzelemente verbaut und sehr hochwertige Ziegel verwendet. Auf diese Weise entsteht eine organische Verbindung zwischen dem Bestandsgebäude und seinem Anbau. Ergänzend greifen auch die beiden Neubauten des Ensembles die Fassadengestaltung des Bestandsgebäudes aus Sichtmauerwerk auf.

Innenhof Bestandsgebäudes Schreibfederhöfe Berlin
Copyright: Sinje Hasheider, Hamburg

bürosuche.de: Wie sieht es mit dem Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz bei so einem Projekt aus?

Klaus Heldwein: Bei Gebäuden, die unter Denkmalschutz – oder wie bei uns unter Ensembleschutz – stehen, ist nachhaltiges Sanieren ein schwieriger Spagat. Auf der einen Seite haben wir die alten Vollziegel, die Temperaturschwankungen sehr gut ausgleichen und damit ein gutes Paket an altmodischen Klimaschutz mitbringen. Auf der anderen Seite mussten wir bei den Fenstern in diesem Punkt Abstriche machen, um die historischen Rahmen zu erhalten. 

bürosuche.de: Welche Unternehmen haben bereits ein Büro in den Schreibfederhöfen gemietet?

Klaus Heldwein: Bei uns arbeiten aktuell viele kleinere Unternehmen, die bereits seit bis zu zwanzig Jahren in den Schreibfederhöfen ihre Büros haben. Dazu gehören zum Beispiel eine Druckerei, ein Elektriker, eine Praxis für Physiotherapie, ein Filmverleih und ein Yogastudio. 

bürosuche.de: Gibt es eine Branche, die sich von den Schreibfederhöfen besonders angezogen fühlt?

Klaus Heldwein: Wir haben bisher vor allem viele Anfragen von jungen Unternehmen. Die finden den historischen Charakter des Gebäudes und seiner Räume besonders spannend. Insgesamt fragen bei uns aber Unternehmen aus verschiedensten Branchen an. Und diese bunte Mischung finden wir auch gut.

bürosuche.de: Was macht den Friedrichshainer-Kiez so attraktiv für Gewerbetreibende?

Klaus Heldwein: Wer hier ein Büro hat, der arbeitet im Herzen der Stadt und nicht in einem doch meist recht sterilen Neubau irgendwo auf einer grünen Wiese. Man sitzt mit seinem Büro mitten in einem lebendigem Viertel mit vielen kleinen Läden und vielfältigen gastronomischen Angeboten und das spürt man auch bei der Arbeit. Kiezlage eben. 

bürosuche.de: Wir danken Ihnen für das Gespräch, Herr Heldwein!

Urheberrechtsvermerk Headerbild: Copyright: Sinje Hasheider, Hamburg